Let`s talk about sex,
ach nee Unsinn, also folgendes: Es gibt kaum etwas, das mich so gut charakterisiert, wie die Situation des Fotografierens! Ich also, eher unscheinbar und außerhalb stehend um gute Perspektiven und Motive zu finden und die Unbefangenheit der Leute nicht störend. Ist eine Person in persönlicher und lebensnaher Weise umrahmt, entsteht das eigentlich Besondere der Situation. Blicke ich sie aus einer gewissen Nähe an, so wird sie bald meinen Blick mit der Frage erwidern, was der Grund meiner Aufmerksamkeit für sie ist und bin ich nicht in der Lage oder bereit, ihre vielleicht noch so subtile Frage in irgendeiner Weise zu beantworten, wird sich unserer Austausch bereits im Keim erübrigen.
Wesentlich erscheint mir, dass auf jede gegenseitige Zuwendung und Aufmerksamkeit in aller Regel eine rege Kommunikation folgt. Bleibt diese aus, wird die Situation peinlich oder verlagert sich. Sich gegenseitig länger in die Augen zu sehen, ohne etwas zu sagen, ist etwas Besonderes und meist sehr Intimes.
Als Fotograf nehme ich aus diesem doch meist kaum angefangenen Austausch eine Aufnahme und stelle damit eine Unterbrechung her, denn über alles, was an Neugier, Offenheit, Anspannung oder Ablehnung und Widerwillen in ihr offengelegt und festgehalten ist, kann ich als Fotograf nun sehr weitgehend verfügen. Der natürlicherweise viel längere Weg zum persönlichen und intimen, verdichtet und beschleunigt sich gewissermaßen durch eine Kamera: Denn sieht sie sich mit der zur Momentaufnahme bereiten Objektiv konfrontiert, so versteht sie, wenn vielleicht auch unbewusst, sehr gut den Angriff auf ihre Person, der mit ihm meist verbunden ist. Jede Person ist gewöhnlich darauf aus und in der Lage, den eigenen Ausdruck dahin zu bewegen, wo es ihr günstig und angemessen erscheint. Vor der Kamera aber sieht sie sich oft sehr plötzlich und unvorbereitet in eine Bühnensituation gedrängt. Die Bewegung ihrer Darstellung wird eingefroren zu einem Ausschnitt, welcher nun in seiner ganzen subtilen Feinheit und nicht mehr verwischt vom Zeitverlauf offen liegt. Darin kann Chance und Gefahr der Fotografie begründet sein. Z. B. gehe ich davon aus, dass in einem eher entspannten Gesicht, in welchem demzufolge kein so offensichtlicher Ausdruck erscheint, dessen subtiler um so größer sein kann.
Gerade in professionell gemachten Porträts begegnen uns oft Gesichter, welche unterkühlt, wenn nicht gar stumpf und nichtssagend erscheinen und gerade auch Frauen, welchen Fotografiesituationen allzu bekannt geworden sind, wehren sich gegen den beschriebenen Angriff, indem sie ihren Ausdruck gleichsam verstummen lassen. Am sprechensten erscheinen Porträts zuallermeist dann, wenn die Spannung und die ihr zugrundeliegende Zwiesprache, welche nun einmal in der Natur der Situation liegt, eingefangen und abgebildet ist, bevor andererseits der Ausdruck in einer überspannten und forcierten Situation zur Grimasse wird. Grimasse und das Verstummen also als gegenüberliegende Extreme, hinter welchen sich Personen verbergen können.
Ein Schlüssel zum Verständnis von Porträtfotografie ist, so die Abgebildete um den Fotografen weiß, dessen Verhalten, Ausdruck und Erscheinung. Als abgebildet und sichtbar gemacht erscheint zunächst nur die Porträtierte. Welchen Blick und welches Verhalten sie durch das Objektiv hindurch erwidert, ist weniger offensichtlich, gleichwohl aber entscheidend und von besonderem Reiz sich vorzustellen. Wichtig ist daher sich einzugestehen, dass mit jeder Ablichtung, auf welcher Personen erscheinen, welche befangen, peinlich berührt oder mit sonst einem erzwungenen Ausdruck erscheinen, der Fotograf, als dessen Auslöser sich selbst mit abgebildet hat: Als maßgeblich Beteiligter an einer prekären Situation und als jener, dem überlassen ist einen ganz bestimmten Moment einzufrieren. Dasselbe gilt versteht sich für ein gelöstes und lachendes Gesicht. Wir Fotografen betrügen uns, wenn wir meinen, uns hinter unserer Kamera verstecken zu können.
Achtsamkeit in der Fotografie (ergänzt am 21.01.2024)
Wie aus meinem Beitrag oben vom 22. Februar 2011 und meiner Antwort vom 15. Dezember 2013 zur Frage von ladi hervorgeht, hat mich immer fasziniert, wie ich sehr ich mich selbst in den Porträtierten wiederkennen kann. Dazu der Bericht zu der Entstehung einer Fotografie, die ich (vorerst) nur „ersatzweise“ wiedergeben kann:
Ein vielleicht zweijähriger Junge schaut sich mit mir Hühner in einem Gehege an, von denen er sehr fasziniert ist. Ich war eher angespannt und gestresst zu der Zeit und ich war zu sehr darauf aus, Aufnahmen zu machen, mich auf Dinge wie Belichtung und Schärfe zu konzentrieren und vernachlässigte die Kommunikation mit dem Kind. Es erlebte mich als eine Person, die kaum oder gar nicht redete, sah sich verfolgt von einer großen Linse, schließlich frontal, was, wie ich meine, wesentlich zu der Betroffenheit und Aufmerksamkeit im Blick des Kindes führt. Bald darauf, mir gegenüber, blickte es zu Boden und fing an zu weinen. Erst da Begriff ich meine Unachtsamkeit, nahm es auf den Arm und tröstete es. Auf die Rückseite des Abzuges schrieb ich damals: „Die Seele des Kindes sieht mich!“
Ich zog daraus die Konsequenz, nie mehr die Kommunikation mit der Person zu vernachlässigen, die ich fotografierte, auch besonders darauf zu achten ob der Prozesse was unangenehmes und peinliches bekommt usw. Auf den Bildern, die folgten, wird das, denke ich auch sichtbar?
Was Personenfotografie auch so besonders faszinierend, spannend und auch risikoreich und verletzend machen kann ist die Situation des Beobachtens oder des Beobachtetwerdens die uns urvertraut ist aus dem Jagen oder gejagt werden. Ein jagendes Lebewesen, das selbst unentdeckt, möglichst unsichtbar, geräuschlos oder zumindest harmlos wirken will, beobachtet uns (heimlich) sehr aufmerksam, achtet auf Windrichtung, Deckung, Schatten respektive (Gegen)Licht, Perspektive, Umrahmung, Hintergrund u. dgl. Die Situation erlangt nicht selten beiderseits was existentielles; verhungern oder getötet werden, Nachkommen durchbringen oder verlieren usw.
Nicht weniger bedeutend und oft spannungsgeladen hat sich das transformiert zu Kommunikation und sozialer Interaktion, zugehörig werden, Ausgrenzung verhindern, Leute einschätzen, ihre Persönlichkeit repräsentieren, Netzwerke bilden, Konflikte erkennen, gut einschätzen und lösen und anderes mehr … das was humane Intelligenz (HI) am wesentlichsten gebildet hat und ausmacht.
Aus der Evolution von Jagt und sozialer Interaktion hat sich m. E. ganz wesentlich entwickelt, dass wir so gut spüren können, wenn wir beobachtet werden, auch etwa ein Augenpaar, das (länger) aus einer Menge oder aus einer Deckung auf uns gerichtet ist, sehr gut auch aus größerer Entfernung unterscheiden können, ob wir fixiert werden oder einer Person auch nur knapp an uns vorbei sieht. Hinzu kommt, etwa mit einer analogen Spiegelreflexkamera in der Hand, dass sie mit ihrer großen (Augen)Linse andererseits einen großen Teil des Gesichts des Fotografierenden verdeckt oder auch verzerrt.
Aus diesem erläuterten Spannungsfeld heraus finde ich folgenden „Film“ besonders anrührend, wie sich der Basstölpel meiner Person, dem Objektiv stellt und was er erwidert. Ich hatte mir schon berichten lassen, dass z. B. Pferde die Mimik von Menschen lesen und das reflektierend besonders darauf geachtet, mich behutsam zu bewegen, meiner Erscheinung alles bedrohliche zu nehmen … auch mit Erfolg offenbar: Mir scheint, das Tier reflektiert gewissermaßen die veränderte Situation. Hier geht es nicht um um Bedrohung und Flucht sondern um gegenseitige Zuwendung und auch Neugier? Mir scheint regelrecht, dass sich in Blick und Gestik des Vogels ein Lernprozess erkennen lässt und begreife sein Verhalten als Aufforderung meinerseits in der Kommunikation mit Tieren, wie auch überhaupt im Umgang mit (wildem) Leben und Natur immer dazuzulernen.
Meine Beiträge zur Fotografie sind auch inspiriert von den Texten/Songs „Eye In The Sky“ von The Alan Parsons Projekt und „Kodachrome/Maybellene“ von Simon & Garfunkel!
Im nichtdenken liegt die wahrheit