Warum wir Krisen brauchen

Leserbrief zum Interview mit Reiner Klingholz

GEO 03 März 2014

Die Krise der Erderwärmung trifft meist am allerwenigsten die Minderheit ihrer Verursacher, sondern weit mehr die große Mehrheit von nichtverantwortlichen und wehrlosen Menschen in besonders betroffenen Regionen der Erde und nochmals härter und mit voller Wucht nachkommende Generationen. Die Industrienationen lösen seit Jahrzehnten mit der Erderwärmung eine Welle der Zerstörung aus, welche gerade diejenigen Millionen und Milliarden Menschen leiden, krank werden, hungern, dursten und sterben lässt, die keine Chance haben, gegen sie zu reden, zu schreiben, abzustimmen, zu demonstrieren oder zu klagen. Das „Wir brauchen Krisen“, „Wir müssen akzeptieren, dass es schlimmer wird, …“, „Wir haben das Geschehen nicht in der Hand“ ist daher kleingeistig, armselig, selbstmitleidig und zynisch und doch typisch für Menschen in der Position und im Alter von Reiner Klingholz: Die Hauptverursacher der Erderwärmung profitieren meist auch am stärksten von ihr; durch sie haben sie exorbitante Reichtümer angehäuft. Die Industrienationen (bzw. nochmals mehr eine kleine Zahl sehr reicher Privatpersonen), verfügen wesentlich auf Kosten dieser wehrlosen Mehrheit von Menschen über eine gute bis exzellente Gesundheitsversorgung bzw. entsprechend über Rettungswesen, Katastrophenschutz, gesicherte Grenzen, Militär und anderes mehr.

Die Menschheit teilt sich sicherlich nirgendwo sonst so sehr auf in wehrlosen Opfer und Verbrecher an der Menschlichkeit, die nun mit einer nochmals gesteigerten, ungeheuerlichen Gewalttätigkeit etwa in der Tiefsee, der Arktis oder in Schiefergestein Ressourcen ausbeuten. Der so erzeugte Profit, wird dann wieder zum Teil in die Sicherung und Verteidigung des eigenen Reichtums und der eigenen stumpfsinnigen, gierigen und geizigen Lebensweise investiert. „Für ein Umdenken braucht es Krisen und Katastrophen. Dann reagiert die Politik“ funktioniert daher nicht, im Gegenteil, Katastrophen und Krisen werden noch verstärkt und zwar zu Gunsten der Hauptverursacher und zu Lasten der Allerwehrlosesten.

Das eigene(?!) zukünftige Wohl zu sichern, dafür ist unser Gehirn nicht geschaffen.“ Es ließe sich ebenso gut behaupten, dass Gehirn sei nicht geschaffen dafür, eine Fremdsprache oder ein Musikinstrument zu erlernen. Wenn jemand nicht lernt, dann immer vor allem auch deswegen, weil es ihm, bzw. weil er es sich selbst nicht zutraut. Das Gehirn des Doktor Klingholz kann nicht für nachfolgende Generationen sorgen, weil Doktor Klingholz das seinem Gehirn nicht zutraut.

Idiotisch sind auch folgende Aussagen: „Wachstum gleich welcher Farbe, bedeutet Ressourcenverbrauch. Grünes Wachstum ist ein Widerspruch in sich.“ Ist Widerspruch hier ein anderes Wort wunderbar? Die Evolution des Lebens wäre damit widersprüchlich und ist offenbar für Akademiker wie Nico Paech, Harald Welzer und Reiner Klingholz undenkbar. Wie ist das Leben immer erneut und weiter in Richtung Vielfalt und Vitalität gewachsen ohne Ressourcen über die Maßen zu überfordern, sondern im Gegenteil sich letztendlich und insgesamt immer neue zu erschließen? Die Antwort ist schon im Begriff von wirtschaftlichem und ökonomischem Wachstum angedeutet. Es kann bei Wirtschaft und Ökonomie nie um Wachstum von Unverhältnismäßigkeit, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Monokultur und (Kapital)Zentralisierung gehen sondern im Gegenteil um ein Wachstum der Verhältnismäßigkeit, Gerechtigkeit, Vielfalt, Dezentralisierung sowie um ein Wachstum von Bildung, Kultur und Frieden:

2/3 weniger PKW in Deutschland würden leicht ein Vielfaches an sicherer, sauberer, grüner, raumsparender, leiser, autonomer, individueller und gerecht zugänglicher Mobilität ermöglichen.1 Würden nun die Haushalte ihr Geld, was nicht mehr in die dumme und dreiste Lüge vom Automobil fließt z. B. in Musikinstrumente, in Unterricht und dergleichen investieren, haben wir eines der besten Beispiele dafür, wie man mit Gewinn für alle und ohne Verlust und Verlierer sich einem ungemein nachhaltigen und grenzenlosen Wachstum verschreiben kann. 2. Beispiel: Die von Monokultur, Massentierhaltung, Pestiziden und Mineraldünger dominierte Landwirtschaft würde auf Agrarökologie umstellen, mit der wir die Erderwärmung ausbremsen und uns an sie anpassen, 9 Milliarden Menschen ernähren und einen unschätzbaren Reichtum an Fruchtbarkeit und Biodiversität erzeugen bzw. rekultivieren. Wir finden in diesen Beispielen tatsächlich (so sehr ersehnte) grenzenlose Ressourcen und Potentiale.

Es geht nicht um Verzicht und Bescheidenheit. Es ist völlig unsinnig zu sagen, ich verzichte und bescheide mich um Stumpfsinn, Gier, Geiz, Kleingeist, Armseligkeit und Verblödung. Es gibt keine Bildung, keine Kultur, kein Leben, keine Freiheit, Würde und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu Lasten des Lebens, der Freiheit, Würde usw. von anderen Lebewesen und Menschen. Ich verlerne, werde stumpf, leblos und kleinlich in meiner Persönlichkeit, indem ich auf andere herabsehe, sie missachte, einschränke oder gar töte, ich kann mich selbst nur sehen, fühlen, erleben und entfalten in der Freiheit und auf Augenhöhe anderer Lebewesen und Menschen.2 Dies gilt auch und insbesondere für die Freiheit und das Leben von Menschen in fernen Ländern und von nachfolgenden Generationen, denn was könnte unsere Fähigkeit zu fühlen und zu denken3 besser ausbilden, als dass wie unser Mitgefühl und Gewissen ebenso in die globalen und zukünftigen Zusammenhänge ausbreiten, wie unser Tun und Lassen neuerdings tatsächlich ausgebreitet ist?

1Peak Car

3Fühlen und Denken

Mailverkehr mit Ulrike Hermann zur Frage eines möglichen grünen Wachstums

Am 13.01.2021 um 22:19 schrieb Michael Bernhard

Betreff: Wachstum, ein Dilemma – taz 8. Jan. 2021 von Ulrike Hermann

Guten Tag,

Auch für Ulrike Hermann ist und bleibt grünes Wachsam seit Jahrzehnten
ein unlösbare Dilemma, in ihrem jüngsten Text leiert sie nach den
beliebten Spruch „In einer endlichen Welt kann man nicht unendlich
wachsen.“ Die Evolution des Lebens hat allerdings schon Milliarden Jahre
eine prinzipiell sehr einfache Lösung für die mentale Sackkasse, von der
auch Ulrike Hermann einfach nicht lassen mag: Quantitative Ressourcen
sind sehr begrenzt, qualitative Ressourcen allerdings sind unendlich und
grenzenlos!

Die Evolution des Lebens schon immer viele Dimensionen der Grenzen- und
Endlosigkeit hatte und zwar als Notwendigkeit: „Wie ist das Leben immer
erneut und weiter in Richtung Vielfalt und Vitalität gewachsen ohne
Ressourcen über die Maßen zu überfordern, sondern im Gegenteil sich
letztendlich und insgesamt immer neue zu erzeugen? Die Antwort ist schon
im Begriff von wirtschaftlichem und ökonomischem Wachstum angedeutet. Es
kann bei Wirtschaft und Ökonomie nie um Wachstum von
Unverhältnismäßigkeit, Ungleichheit, Ungerechtigkeit, Monokultur und
(Kapital)Zentralisierung gehen sondern im Gegenteil um ein Wachstum der
Verhältnismäßigkeit, Gerechtigkeit, Vielfalt, Dezentralisierung sowie um
ein Wachstum von Bildung, Intelligenz, Leben, Lebendigkeit, Grün, Kultur
und Frieden: …“

Warum wir Krisen brauchen

Vielleicht wünsche Sie weitere Beispiele? Nehmen wir also Wirtschaft als
Ökonomie, als Haushalt als ein Haus: Es ist wenigsten neutral, also ohne
Fußabdruck erbaut, so was gibt es um es herum ein Garten, sehr
vielfältig, mit Kompostierung, Gemüse, Blumen, 2 Ziegen vielleicht,
Hühnern u. a. … ein Lastendrad, und als wichtiges repräsentativ
gemeintes Beispiel: Anstelle eines PKW für 30 000 Euro sind
Musikinstrumente angeschafft worden. Unter ihnen ein Flügel (auch diese
Instrumente lassen sich alle leicht mindestens ökologisch und fair
bereitstellen – schon das allein hat viele Erwerbsarbeitsplätze
geschaffen und erhalten). Neben dem Garten, den eine sehr große Vielzahl
und Vielfalt an kleinen und großen, wilden und nichtwilden Lebewesen an
Pflanzen und Tieren bewohnt und in an dem also die Leute des Haushalts
endlos lernen und leben können, befinden sich im Haus die Instrumente an
denen ganz anders und wider neu die Leute endlos lernen, sozial,
kommunikativ, intelligent, sich bilden, Lust, Leben, Vielfalt usw. usf. …

Übertragen lässt sich dass in einen größeren Kontext, wenn sich sich
vielleicht ein Bundesland vor Augen führen, Schleswig-Holstein z. B. in
dem das grüne Wachstum einer Transformation weg von Industrieller LW und
Massentierhaltung hin zu Agrarökologischer LW mit extensiver Wiesen- und
Weide Tierhaltung stattfindet. So sehr Sie sich drehen und wenden, Sie
können das schließlich und einfach sehr gut und mit allem Recht ein
grünes Wachstum nennen. Mit mehr als genug sicheren „Arbeitsplätzen,
Investitionen, Gewinn, Renten, Schulden, Vermögen“, Vielfalt, Leben,
Freiheit, Intelligenz, Bildung, Gesundheit, Unversehrtheit, …

Allein in unserem Kopf sind 100 Milliarden Neuronen welche sich
verbinden durch 100 Billionen Synapsen. Die Anzahl der
Verbindungsmöglichkeiten unseres Gehirns ist damit größer als die der
Atome im Universum. Unendlichkeit ist kein Grund zur Panik, sondern ist
eine menschliche Notwendigkeit und Voraussetzung für Leben, Evolution
und Nachhaltigkeit.

Sehen Sie sich gern zur Veranschaulichung dessen den Film an: Unsere
große kleine Farm <http://www.unsere-grosse-kleine-farm.de/#/>. Lesen
Sie hier
<https://www.fuehlenunddenken.de/meine-seite-und-ich-3/binneralpe-sommer-2016/>
meine Meditation „Blume gießen“ zum Thema und lassen Sie doch bitte Ihr
albernes Geschreibsel vom endlichen Planeten Erde.

Lieber Herr Bernhard, (Ulrike Hermann 14. Jan. 2021 11:04 h)

kleiner Rat: Es ist keine gute Idee, andere zu beleidigen („albern“).
Denn Kraftausdrücke zeigen nur, dass man selbst nicht von den eigenen
Argumenten überzeugt ist. Sonst könnte man ja höflich bleiben 🙂

Ansonsten: Danke für Ihre Mail. Ich werde sie archivieren und anonym in
meinem neuen Buch verwenden – als ein Beispiel für typische Irrtümer der
Kapitalismuskritiker.

Mit besten Grüßen,

Ulrike Herrmann

Hallo,

„Kraftausdruck“ finde ich interessant, laut Duden bedeutet er tatsächlich „derber, vulgärer Ausdruck als Äußerung von Ärger, Erstaunen o. Ä.“ Eine Umfrage hat laut Focus „herausgefunden, welche Kraftausdrücke deutsche Autofahrer am liebsten verwenden.“: „Mit 20 Prozent ist „Arsch(loch)“ das Schimpfwort mit der häufigsten Nennung gefolgt von „(Voll)idiot (16 %), „(Voll)Depp“ (7 %), „Penner“ (5 %) und Blödmann (5 %).“

Ich hatte wirklich nicht die Absicht Sie zu beleidigen und sehe viel mehr meinen Leserbrief als legitimen Teil von Diskurs und Wortgefecht. Da finde ich ein Adjektiv wie „albern“ nicht beleidigend und es ist auch nicht nur m. E. definitiv kein Kraftausdruck. Zumal wenn es nach ausführlichen Erläuterungen erfolgt, warum ich das grüne Wachstumsdilemma oder einen Spruch wie „In einer endlichen Welt kann man nicht unendlich wachsen“ äh …„albern“ finde bzw. als Teil von jener so überaus populär gewordenen Simplifizierung, Generalisierung und Monokausalität begreife.

Jetzt hätte ich gern gewusst, warum Sie meine Kapitalismuskritik für einen Irrtum halten, denn zeigt nicht gerade Ihre so weitreichende Behauptung, die andererseits ohne Begründung bleibt auch nach Ihrer Prämisse, dass Sie von Ihrem eigenen Text gar nicht überzeugt sind?

Gern können Sie mich in Ihrem Buch zitieren nur bitte nicht anonym und mit ausführlicher Quellenangabe zu meinen Ausarbeitung zur Frage eines möglichen global und nachhaltig nicht nur verträglichen, sondern evolutionär-konstruktiven Grünen Wachstums:

Warum wir Krisen brauchen – https://www.fuehlenunddenken.de/leserbriefe/warum-wir-krisen-brauchen/

Der hohle Krieg oder die Fülle des Friedens „… In der völlig albernen Pose der Desillusionierten halten viele Akademiker ein grünes Wachstum für phantastisch und unrealistisch. …“ – https://www.fuehlenunddenken.de/2015/01/27/der-hohle-krieg-oder-die-erfuellung-des-friedens/

Gretchenfrage – https://www.fuehlenunddenken.de/leserbriefe/gretchenfrage/

Die große Schuld der Alten „… Die Entwicklung unserer Industriegesellschaft hin zu einer nachhaltig und global verträglichen Lebensweise, steht grundsätzlich nicht in Konkurrenz zur Freiheit und Qualität unseres Lebens, sie sind im Gegenteil viel mehr ein und dasselbe. Es wäre sehr hilfreich, wenn auch ein Akademiker wie Heinz Bude das endlich begreifen würde.“ – https://www.fuehlenunddenken.de/leserbriefe/die-grosse-schuld-der-alten/
Refugees Welcome!: „Ich meine, dass Rettung und Aufnahme von Flüchtlingen, die Verhinderung und der Protest gegen Abschiebungen und die Solidarisierung mit allen sonst wie benachteiligten und ausgeschlossenen Menschen notwendige Voraussetzung und Bedingung von Reichtum an Leben, Freiheit, Bildung, Vielfalt, Vielseitigkeit, Intelligenz, Lebendigkeit, wirtschaftlicher Vitalität, Sicherheit und anderen mehr sind: …“ – https://www.fuehlenunddenken.de/2017/10/11/refugees-welcome/

Ganz neu zur Möglichkeit eines grünen Wachstums: Weniger PKW – Mehr Autonomie, Mobilität, Leben und Freiheit!:

z. B. im Hamburger Stadtgebiet können bei 80 % weniger PKW

5 x so viele Leute im Vergleich zu heute mobil sein! –

auf 20 % weniger Fläche – die Werte lassen sich gegeneinander verschieben; brauchen/sollen z. B. nur 2 x so viele Leute oder gleich viel wie heute mobil sein, ließe sich entsprechend viel mehr Fläche z. B. für Begrünung oder Wohnraum gewinnen

mehr als 50 x so sicher für die eigene Person und noch mehr für andere Leute zu Fuß und Fahrrad

durch erheblich sauberere, Luft, weniger Feinstaub, Stickoxyde, Lärm u. a viel weniger Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen bzw. Parkinson, Demenz und Infektionen

in der Summe durch mehr frische Luft, Bewegung, begrünte Wege u. a. Stressminderung und Gesundheitsförderung – Mobilität wird also zu einem Faktor, der viel mehr Krankheit, Verletzung und (vorzeitigen) Tod vorbeugt, als er umgekehrt verursacht –

etwa 75 % weniger Microplastik heutiger Emission durch Reifenabrieb oder Fahrbahnmarkierungen

Möglichkeit von z. B. rund 12 000 neuen Wohnungen allein durch 80 % weniger Parkhäuser

Grundwasserschutz, Schutz vor Überschwemmung und Überhitzung durch erheblich weniger Flächenversiegelung bzw. durch Renaturierung von diesen

erheblich weniger Ressourcenverbrauch von Mineralöl, Beton, Alphalt bzw. Sand u. a.

u. a.

Gern werde ich diesen Mailverkehr auf https://www.fuehlenunddenken.de/ veröffentlichen.

Viele Grüße, Michael Bernhard

Ist alles archiviert 🙂 (Ulrike Hermann 14. Jan. 19:20 h)

 

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1 Antwort zu Warum wir Krisen brauchen

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